Kunst rund ums Essen und ein Medienkunstprojekt gibt es im Dortmunder U zu entdecken

Ausstellung und Forschungsprojekt sind bis zum 20. Juli zu sehen

Ein Blick in die Sonderausstellung „Am Tisch“. Foto: Museum Ostwall / Roland Baege

Gleich zweimal Neues gibt es im Dortmunder U: Die Sonderausstellung „Am Tisch“ zeigt, wie Künstler:innen Essen und Trinken in der Kunst zum Thema machen. Gleichzeitig können Besucher:innen im Galeriebereich der Ebene 6 einen Blick hinter die Kulissen des Museums Ostwall werfen. Das internationale Forschungsprojekt „Wohin gehen all diese Leute? Medienkunst restaurieren – installieren – erfahren“ untersucht das Kunstwerk. Beides ist bis zum 20. Juli 2025 zu sehen.

Dortmunder:innen laden zum Essen ein

Das New Yorker Künstler:innenpaar Alina Bliumis und Jeff Bliumis ließ sich von Dortmunder:innen für ihr Projekt „A Painting For A Family Dinner“ zum Abendessen einladen. Sie annoncierten in der Zeitung und verteilten Postkarten, auf denen sie ein Bild für eine Einladung zum Essen anboten. Damit spielen sie mit dem Vorurteil  „brotlose Kunst“ und setzen zugleich ihre Kunst direkt als Zahlungsmittel ein.

Die Künstler:innen Alina und Jeff Bliumis in ihrer Installation „A Painting for a Family Dinner“. Foto: Museum Ostwall / Roland Baege

Alina Bliumis und Jeff Bliumis: „Während unserer Zeit waren wir elfmal zum Abendessen bei Familien, WGs und deren Freund:innen eingeladen. Wir haben viel über die Stadt und ihre Kultur durch die unterschiedlichen Perspektiven der Gastgeber:innen gelernt, und genau deshalb ist unsere Beziehung zu Dortmund so persönlich. Das Dortmunder Kapitel von „A Painting For A Family Dinner“ wird immer Teil unserer gemeinsamen Erinnerungen bleiben.“

Die entstandenen Fotografien aus den Dortmunder Haushalten sind in der Ausstellung zu sehen. Zur Ausstellung erscheint im Verlag Kettler außerdem eine Publikation mit allen bisherigen Stationen des Projekts (Preis: 25 Euro).

Die Künstlerin Narges Mohammadi in ihrer Installation „Passing Traces“. Foto: Museum Ostwall / Roland Baege

Die Künstlerin Narges Mohammadi hat für ihre Arbeit „Passing Traces“ gemeinsam mit Menschen aus Dortmund 700 Kilogramm der Süßspeise Halva hergestellt und damit Wände tapeziert. Narges Mohammadi: „In diesem Werk sind die Spuren vieler Hände zu sehen – starke Hände, die Mehl, Butter, Sirup und Kardamom zu 700 Kilogramm Halva verrührten.“

„In dem engen, aus Halva geformten Raum, der an ein karges Schlafzimmer erinnert, bleibt das Echo dieser gemeinsamen Arbeit, das langsam verblasst und doch unvergesslich ist.“

„Am Tisch“ zeigt Kunst und Kulinarik

Die Ausstellung gibt einen Einblick in die kulinarische Welt der Kunst: Bei Familienfeiern, religiösen Festen oder beim ersten Date — überall auf der Welt kommen Menschen zum Essen und Trinken zusammen. Die Sonderausstellung „Am Tisch“ des Museum Ostwall im Dortmunder U zeigt Arbeiten zeitgenössischer Künstler:innen, die gemeinschaftliche Aspekte der gemeinsamen Mahlzeit in den Blick nehmen.

Die Installation „Kulisse“ von Marie Donike und Johannes Specks. Foto: Museum Ostwall / Roland Baege

Bei den Kölner Künstler:innen Marie Donike und Johannes Specks zum Beispiel dreht sich alles um die Kneipe als sozialer Ort: Ihre Skulptur „Kulisse“ verwandelt sich an ausgewählten Tagen in einen Tresen der besonderen Art.

Die Berliner Künstlerin Iden Sungyoung Kim lässt in Interviews die Kinder koreanischer und vietnamesischer Gastarbeiter:innen ihre Geschichte erzählen. Besucher:innen können diesen bei einer Tasse Tee in gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre lauschen.

Gegenüber zeigt die Arbeit von  der ukrainischen Künstlerin Zhanna Kadyrovas täuschend echt wirkende Brote aus Stein. Der Titel „Palianytsia“ verdeutlicht, wie alltägliches Essen in Kriegszeiten eine kulturelle Identität schaffen kann.  Denn an der Aussprache von „Palianytsia“, also „Weißbrot“, ist deutlich zu erkennen, ob jemand ursprünglich russisch oder ukrainisch spricht.

Studierende der Klasse Mariana Castillo Deball von der Kunstakademie Münster in ihrer Installation „archipelago in sauce“. Foto: Museum Ostwall / Roland Baege

Auch die Arbeit von Mona Hatoum ist durchaus politisch. Die überdimensionierte Küchenreibe „Paravent“ soll daran erinnern, dass Haus- und Sorgearbeit noch immer zum Großteil von Frauen verrichtet wird. Denn die Muster in der riesigen Reibe erinnern an arabische Muster in Fensterläden, hinter denen die Frauen oft unsichtbar bleiben.

In der interaktiven Installation „archipelago in sauce“ der Klasse Marianna Castillo Deball der Kunstakademie Münster können Besucher:innen eine raumgreifende Landschaft aus Tischen erkunden und Geschichten über das gemeinsame Kochen erfahren.

Seltener Einblick: Wie wird ein Medienkunstwerk restauriert?

Die Installation „Wohin gehen all diese Leute?“ der Künstlergruppe Studio Azzurro gehört zu den wichtigsten sogenannten „ambienti sensibili“ der Gruppe – das sind raumübergreifende Werke, die durch unsichtbare Technik auf das Verhalten von Besucher:innen reagieren. Das Werk wurde 2000 für die Medienkunstausstellung vision:ruhr in der Zeche Zollern in Dortmund geschaffen. Seitdem befindet es sich in der Sammlung des Museum Ostwall.

Die schnell voranschreitende technische Entwicklung stellt das Museum vor Herausforderungen, denn es hat die Aufgabe, Kunstwerke für die nächsten Generationen nicht nur zu erhalten, sondern auch erfahrbar zu machen. Aus diesem Grund wird das Kunstwerk nun im interdisziplinären Forschungsprojekts „Legacies of Artists’ Studios: Sharing and Archiving Embodied Knowledge for the Conservation of Technology-Based Artworks“ probeweise aufgebaut und untersucht. Die Besucher:innen des Dortmunder U können dabei einen Blick in das Forschungssetting werfen.

„Die Arbeit im Hintergrund bleibt meist unsichtbar“

„Neben dem Sammeln und Ausstellen ist das Forschen ein essenzieller Teil unserer Museumsarbeit. Das Projekt „Wohin gehen all diese Leute“ gibt uns die Möglichkeit, gemeinsam mit internationalen Partner:innen eine unserer wichtigsten Medienkunstarbeiten genauer zu erforschen und für zukünftige Präsentationen zu erhalten. Die Ausstellung und das Forschungsprojekt spiegeln auf unterschiedliche Art die Arbeitsweise unseres Hauses wieder“, erklärt Regina Selter, Direktorin des Museum Ostwall.

Regina Selter, Direktorin des Museum Ostwall. Foto: Roland Baege

Dr. Nicole Grothe, Leiterin der Sammlung des Museum Ostwall, hebt die Bedeutung des Projekts für die Arbeit des Museums hervor: „In der Regel bekommen Besucher:innen nur die abschließenden Ergebnisse von Museumsarbeit zu sehen: eine Ausstellung oder eine Veranstaltung. Die Arbeit im Hintergrund bleibt meist unsichtbar, ist aber eine notwendige Voraussetzung dafür, dass wir die Kunstwerke der Öffentlichkeit zeigen können.“

Das Forschungsprojekt nimmt unter anderem folgende Fragen in den Fokus:Funktionieren die originalen technischen Werkkomponenten und die Programmierung noch? Und wenn ja: Wie lassen sie sich erhalten? Oder müssen technische Bestandteile aktualisiert und in das Kunstwerk integriert werden? Wie kann das Werk an neue Raumsituationen angepasst werden? Wie unterscheidet sich das Erlebnis des Kunstwerks im Jahr 2000 von seiner heutigen Wahrnehmung? Müssen sich verändernde Sehgewohnheiten des Publikums bei künftigen Präsentationen berücksichtigt werden? Und welche inhaltliche Erzählung muss dabei bewahrt werden?

Besucherinnen können Teil des Forschungsprojekts werden

Ziel der Forscher:innen ist es, Strategien für den Erhalt und zukünftige Präsentationen des Werks zu entwickeln. Mögliche Wissenslücken sollen durch die Testinstallation geschlossen, dokumentiert und verständlich an zukünftige Generationen weitergegeben werden. Die Forschungsergebnisse werden in einem angrenzenden Raum nach und nach öffentlich zugänglich gemacht. Neben Informationen zum Kunstwerk, einer Videoaufnahme seiner ersten Ausstellung und einer Skizze der Künstlergruppe zeigt ein Zeitstrahl verschiedene Präsentationen des Werkes.

Prof. Dr. Gunnar Heydenreich, Cologne Institute of Conservation Sciences, TH Köln, gehört zu den Initiatoren des Forschungsprojekts, das auch Erkenntnisse für den Umgang mit ähnlichen Kunstwerken liefern soll: „Die Präsentation von „Wohin gehen all diese Leute?“ erfordert die Zusammenarbeit des Künstlerateliers und zahlreicher Spezialist*innen unter anderem aus den Bereichen Logistik, Medientechnik, Programmierung, Restaurierung, Kunstgeschichte und Ausstellungstechnik. In dieser Fallstudie untersuchen wir verschiedene Ansätze zur Speicherung und Weitergabe des nötigen Fachwissens sowie der praktischen Fähigkeiten, um Strategien für den Erhalt vergleichbar komplexer Werke weiterzuentwickeln.“

Die Besucher:innen des Museum Ostwall sind eingeladen, Teil des Forschungsprojekts zu werden: Das Team der MO_Bildung und Kunstvermittlung sammelt persönliche Gedanken und Assoziationen zum Kunstwerk und stellt diese in einem angrenzenden Arbeitsraum aus. Hier sind auch die Ergebnisse von MO_Kunstkursen oder Beiträge von Teilnehmer:innen von Ausstellungsgesprächen zu sehen, die sich mit dem Kunstwerk von Studio Azzurro beschäftigen.

Mehr Informationen: 

  • Der Eintrittspreis zu der Ausstellung „Am Tisch“ beträgt 5 Euro regulär und 3 Euro ermäßigt. Weiteres gibt es unter: dortmunder-u.de/am-tisch.
  • Der Eintritt zum Forschungsraum ist frei. Mehr zu dem Medienkunstprojekt von Studio Azzurro „Wohin gehen all diese Leute?“ Gibt es unter: dortmunder-u.de/studio-azzurro.
  • Die Öffnungszeiten vom Museum Ostwall im Dortmunder U (Leonie-Reygers-Terrasse, 44137 Dortmund) sind: Dienstag, Mittwoch, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr sowie Donnertag und Freitag von 11 bis 20 Uhr.

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Reaktionen

  1. Museum Ostwall: Mit Dampf kochen und mit dem Schneebesen Bilder drucken – Die Ausstellung „Am Tisch“ lockt mit kulinarischem Begleitprogramm (PM)

    Kulinarische Kunst produzieren und in einer Performance gemeinsam essen – das geht am Samstag, 24. Mai, im Museum Ostwall im Dortmunder U. Das ungewöhnliche Programm ist Teil der MO-Ausstellung „Am Tisch. Essen und Trinken in der zeitgenössischen Kunst“.

    Die Sonderausstellung „Am Tisch“ zeigt, wie Künstler*innen Essen und Trinken in der Kunst zum Thema machen. Dazu gibt es am Samstag (24. Mai) gleich zwei Veranstaltungen zum Mitmachen und Miterleben.

    Lecker gedämpftes Essen zur Kunst

    Mit viel Dampf startet die Performance der Studierenden der Kunstakademie Münster am Samstag, 24. Mai, vor dem Dortmunder U. Das Essen wird gesteamt, direkt auf dem Vorplatz zum Zuschauen und Mitmachen. An insgesamt drei Terminen werden Teile der Installation „archipelago in sauce“ als offene Küche von 13 bis 19 Uhr draußen auf dem Vorplatz des Dortmunder U genutzt.

    Eine Reihe ungewöhnlich geformter Tische erinnert an Märchenmöbel und lädt dazu ein, persönlichen Geschichten zu lauschen. Denn wie, wo und mit wem gegessen wird, ist weltweit verschieden – ebenso die Rituale und Traditionen, die gemeinsames Essen begleiten. Die Klasse Mariana Castillo Deball von der Kunstakademie Münster nimmt diese Vielfalt zum Ausgangspunkt ihrer Installation „archipelago in sauce“, die in der Ausstellung auf Ebene 6 zu sehen ist.

    Am Samstag, 24. Mai, wird gesteamt, am 14. Juni dann gekocht, und am 19. Juli fettig: Dann wird frittiert. Die Performances finden jeweils von 13 bis 19 Uhr statt. Besucher*innen sind eingeladen, gemeinsam mit den Künstler*innen zu kochen, zuzuschauen, zuzuhören und ins Gespräch zu kommen.

    Drucken mit Schneebesen und Orangenschalen

    Was passiert, wenn man einen Schneebesen in Farbe taucht, um damit ein Bild zu gestalten? Wie kann man mit einer Orangenschale tolle Muster aufs Papier bringen? Was kann man mit Lebensmittelfarbe alles machen? Die Teilnehmenden lassen sich zunächst durch die Kunst in der Ausstellung „Am Tisch. Essen und Trinken in der zeitgenössischen Kunst“ inspirieren und können dann selbst kreativ werden. In der Druckwerkstatt gibt es zunächst die Grundlagen: Unterschiedliche Drucktechniken werden vorgestellt, mit denen man dann eigene Entwürfe verwirklichen kann.

    Am Samstag, 24. Mai (auch am 21. Juni und 12. Juli), von 14 – 17 Uhr Museum Ostwall im Dortmunder U. Mit Eintrittskarte zur Ausstellung (5 Euro, 3 Euro ermäßigt) ist der Workshop kostenfrei, um Anmeldung wird gebeten unter mo.bildung@stadtdo.de.

  2. Wie das Essen auf Fotos lecker aussehen kann: Museum Ostwall lädt zum Workshop zur Food-Fotografie (PM)

    „Leckere“ Bilder entstehen am Samstag, 14. Juni , von 14 bis 17 Uhr im Museum Ostwall im Dortmunder U. Der Workshop zur Food-Fotografie ist mit Eintrittskarte zur Ausstellung „Am Tisch“ auf der Ebene 6 kostenfrei.

    Wie schafft man es, dass das Essen auch auf Fotos lecker aussieht? Und das Super-Süppchen nicht nach Matschepampe ausschaut? Appetitanregende Fotos von Essen müssen durchdacht und komponiert werden, mit passenden Requisiten, Styling und gutem Arrangement. Wie das geht und was sich hinter „Dark Food Photography“ verbirgt, wird im Workshop für Erwachsene ab 14 Uhr thematisiert und ausprobiert. Wiederholt wird der Workshop am Samstag, 19. Juli, von 14 bis 17 Uhr. Anmeldung unter mo.bildung@stadtdo.de.

    Der Workshop gehört zum Begleitprogramm der MO-Ausstellung „Am Tisch. Essen und Trinken in der zeitgenössischen Kunst“. dortmunder-u.de/am-tisch

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